"Nur
weil ich ein Hund bin, musst du mich doch nicht lieb
haben!", sagte der Hund.
"Komm, hör schon auf!" sagte Bert, riss
den Verschluss der Bierdose auf, setzte an und ließ
die Flüssigkeit in seine Kehle laufen, ohne zu
schlucken.
"Immer solidarisch an der Seite seines Herrn ist
der Hund", sagte der Hund...
Bert tastete nach dem Wundverband an seinem Kopf. Die
Stelle war kreisrund ausrasiert. "Ein Hund ist
eben ein Hund!", sagte er und befühlte die
Pflasterstreifen über dem blutdurchtränkten
Mull. Die Enden lösten sich schon ab.
Der Hund schaute zu den Silos hinüber. Die riesigen
grauen Zylinder waren seit ein paar Tagen eingerüstet.
"Immer solidarisch an der Seite seines Herrn!",
wiederholte er, ohne den Blick zu wenden.
"Is` gut, hör auf!", sagte Bert und schüttelte
die Dose, um zu prüfen, wieviel noch drin war.
"Das sind seine natürlichen Anlagen",
sagte der Hund.
"Ein Hund ist ein Hund!" sagte Bert. "Er
bekommt sein Futter, und dafür ist er solidarisch!"
"Treu und solidarisch", sagte der Hund. "Das
Wichtigste ist die Treue!"
"Ja", sagte Bert und leerte die Dose.
"Dafür wird er geliebt, der Hund. Und wenn
er hin ist, kauft man sich schnell einen neuen!"
Der Hund sah jetzt zum Bahndamm hinüber, wo ein
Güterzug vorbeifuhr. Er war mit Autos, Betonrohren
und riesigen Drahtrollen beladen und schien kein Ende
zu nehmen. Minutenlang ratterten Waggons vorbei.
"Ja, ja", sagte Bert. "Jedenfalls hatte
ich mal einen, ein Mädchen war das, also ich kann
dir sagen, die war vielleicht anhänglich! Und so
was von gelehrig! Mit der musste ich nicht spazieren
gehen, die ist vor meinem Auto her gelaufen, mit der
konnte ich spazieren fahren!"
Er kippte die Dose um und ein paar Tropfen fielen auf
den Boden. Dann kickte er sie gegen die Schuppenwand.
Die Dose rollte vor seine Füße zurück.
"Liebe und Konsequenz", sagte der Hund, und
seine Stimme klang sehr sanft, "das ist das Geheimnis,
das lernt man von den Hunden!"
"Geduld und eine feste Hand!" sagte Bert und
schoss die Dose erneut gegen die Wand.
Der Hund schwieg und blickte die Straße hinunter.
Schon seit Tagen war dort niemand mehr vorbei gekommen.
Krächzend flogen Raben über die Felder und
tauchten in das Grün der Maisstauden ein.
"Ich geh´ mal in die Werkstatt", sagte
Bert und nahm eine neue Bierdose aus der Einkaufstüte.
Im Schuppen schaltete er das Radio ein. Der Nachrichtensprecher
berichtete vom glücklichen Ausgang eines langjährigen
Entführungsfalles.
"An der Kreuzung oben bei den Lärchen haben
sie jetzt ein Schild aufgestellt", rief Bert aus
dem Holzverschlags, "da ist ein kackender Hund
drauf - und der ist durchgestrichen!"
Dann stand er kichernd mit einer Digitalkamera in der
Hand im Eingang. "Ich hab´s fotografiert,
damit du´s mir glaubst! Ich hab gedacht, so was
musst du fotografieren! - Das interessiert dich doch,
oder?" Er hielt dem Hund das Gerät direkt
vor die Nase.
"Ich sehe nichts", sagte der Hund und kratzte
sich mit dem Vorderlauf hinterm Ohr.
"Egal", sagte Bert und verschwand wieder im
Schuppen. Die Nachrichten waren zu Ende. Popmusik aus
den Achtziger wurde angekündigt. Bert stellte den
Ton lauter. Bob Marleys Reggae-Rhythmen schepperten
wie ein alter Dieselmotor, und Bert rief "jedenfalls
gehe ich nachher noch weg!".
Der Hund legte die Schnauze auf seine Pfoten, hob aber
den Kopf, als ein Geräusch aus der Werkstatt kam,
das sich wie ein heftiges Niesen anhörte. Aber
es war nur das Zischen der Dose beim Öffnen gewesen.
Er sah Bert mit dem Bier in der Hand im Schuppen hin
und her gehen und legte den Kopf wieder ab.
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